Was deine Schuhe mit deiner Psyche zu tun haben

Ich bin Barfußcoach. Klingt komisch? Ist es auch. Irgendwie. Denn gemäß des Faktes, dass 98% der Menschen mit gesunden Füße zur Welt kommen, ist es doch erstaunlich, dass jemand mich dafür bezahlt, ihm/ihr zu zeigen, wie man richtig barfuß läuft. Doch die Realität zeigt, dass wir fast alle verlernt haben, unsere Füße richtig zu benutzen. Im folgenden Artikel gehe ich auf die biomechanischen Aspekte ein; warum herkömmliche Turnschuhe und Einlagen gar erst Fehlstellungen hervorrufen, wie man letztere wieder loswerden kann und wie gesunde Schuhe eigentlich aussehen sollten. Im zweiten Teil machen wir eine Reise zu den psychischen Aspekten; denn auch diese sind nicht zu unterschätzen!

Die biomechanischen Aspekte

Der gesunde Fuß hat eine V-Form; die breiteste Stelle sollte der Zehenbereich sein. Einmal bitte das Lesen pausieren und den Blick senken; wie sehen die eigenen Füße eigentlich aus? Und, noch viel wichtiger: welche Form haben die Schuhe, in denen sie stecken?

istockphoto.com - elisalocci Warum unsere Schuhe so eine gänzlich andere Form besitzen als unsere Füße in ihrem gesunden Zustand, ist eine längere Geschichte, die viel mit Schönheitsidealen zu tun hat. Darauf einzugehen, würde den Umfang hier sprengen. Konzentrieren wir uns lieber auf den Ist-Zustand und die Lösungsmöglichkeiten. Aktuelle Schuhe bringen drei große Probleme mit sich:

  • Sie sind zu schmal. Wie schon gesagt, sollte die breiteste Stelle eines gesunden Fußes und damit logischerweise auch eines guten Schuhs der Zehenbereich sein. Stellt man sich jedoch Barfuß auf seine Alltagsschuhe, sieht man auf einen Blick, dass die Zehen im Schuh zusammengedrückt werden.
  • Sie sind nicht eben. Übliche Schuhe haben fast immer einen kleinen Absatz und sind meist auch noch im Zehenbereich nach oben gekrümmt. Das verändert die Statik unserer eh schon kleinen Standfläche enorm; Defizite müssen dann durch Knie und den Rücken ausgeglichen werden. Viele Probleme dort entstehen nur durch instabile Füße.
  • Sie sind nicht flexibel. Die Sohle der meisten „normalen“ Schuhe ist ziemlich dick. Dabei müssen unsere Füße nicht gefedert werden; wenn wir sie wieder stärken und lernen, richtig zu gehen, sind unsere Füße biomechanische Meisterwerke und brauchen alles außer Unterstützung! Wenn man über einen Waldweg geht, sollte der Fuß arbeiten können, die Muskulatur durch ständige Änderungen der Bodenbeschaffenheit angeregt werden. Durch eine dicke Sohle gehen nicht nur wichtige Informationen verloren, die unser Gehirn bräuchte, um unseren Körper optimal zu koordinieren, nein auch die Muskulatur der Füße wird macht- und arbeitslos. Und dadurch auf Dauer immer schwächer.

Zusammenfassend lässt sich also sagen: gepolsterte Schuhe, ein Fußbett oder Einlagen helfen uns nicht bei Fehlstellungen und Schmerzen der Füße, sondern sind der Grund dafür! Sie entstehen in fast 100% der Fälle einzig durch eine geschwächte Muskulatur. Die gute Nachricht: eine schwache Muskulatur kann man wieder trainieren! Und genau das mache ich mit meinen Klient:innen.

Die psychischen Aspekte

Lorina Brugger, BarfußcoachIch bin der festen Überzeugung, dass barfuß sein nicht nur für den Körper, sondern auch für unsere Psyche positive Auswirkungen hat. In unserer aktuellen Welt ist es wichtiger denn je, Methoden zu kennen, um trotz eines stressigen Alltags den Körper immer wieder in einen Entspannungszustand zu versetzen. Eine simple Möglichkeit dafür ist, einfach mal die Schuhe kurz auszuziehen. Das bringt nämlich gleich mehrere Vorteile mit sich.

  • Erdung. Viele Menschen berichten, dass sie sich wohl fühlen, nachdem sie eine kurze Zeit lang mit nackten Füßen über eine Wiese spaziert sind. Das ist jedoch nicht nur eine bloße Empfindung, sondern ein mittlerweile wissenschaftlich mehrfach bestätigter Fakt. Wir haben durch unseren Alltagsstress und andere Faktoren freie Radikale im Körper. Diese führen zu Entzündungen, einem geschwächten Immunsystem und schlechterem Schlaf. Unsere Erdoberfläche ist negativ geladen; gehe ich nun barfuß über eine Wiese, neutralisieren sich die positiv geladenen freien Radikale aus meinem Körper mit den negativ geladenen Teilchen der Erde. Dass dieser Vorgang gegen Stress und viele Krankheiten hilft, ist wie bereits erwähnt mehrfach bewiesen worden. Also: nach dem nächsten Konfliktgespräch einfach mal kurz barfuß um den Block laufen und der Ärger wird Schritt für Schritt vergehen.
  • Selbstbewusstsein. Dadurch, dass Barfußläufer:innen gesellschaftliche Normen bewusst ignorieren und dadurch unweigerlich auffallen, verlassen sie ihre Komfortzone. Damit wird das persönliche Selbstbewusstsein enorm gestärkt. Es wird einem mit jedem barfüßigen Schritt egaler, was andere von einem denken. Und das ist nicht nur bei einem Stadtspaziergang eine überaus hilfreiche Eigenschaft, sondern vor allem im Berufsalltag.
  • Selbstwert. Mit dem Wissen, dass herkömmliche Schuhe ungesund für den ganzen Körper sind, kommt die Erkenntnis, dass entweder Barfußschuhe oder Barfußlaufen das Mittel gegen dieses Problem darstellt. Beides sind Dinge, die leider noch nicht ganz in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Das bedeutet, dass man sich auch hier bewusst gegen gesellschaftliche Normen stellt. Die Tatsache, dass man diese weniger hoch priorisiert als seine eigene Gesundheit, stärkt den Selbstwert der eigenen Psyche. Man beweist sich selbst mit jedem Schritt, wie wichtig einem seine Gesundheit ist; nämlich wichtig genug, sich gegen „Regeln“ zu stellen.
  • Freiheit. Die Enge von geschlossenen Schuhen führt, meiner Erfahrung nach, dazu, dass auch die Psyche sich eingeengt anfühlt. Man kennt das Gefühl vielleicht aus dem Strandurlaub, dass man am liebsten den ganzen Tag den Sand zwischen den Zehen spüren möchte, statt Schuhe zu tragen. Dieses Empfinden gilt es nun, in unseren Alltag zu übertragen! Damit bekommt man das Urlaubsgefühl auch im Supermarkt oder unter dem Schreibtisch; nicht schlecht, oder?

Dies sind nur eine Auswahl an Argumenten, öfters mal die Schuhe wegzulassen oder sich zumindest nach Barfußschuhen umzusehen. Also, worauf warten wir noch? Ändern wir diese ungesunde, gesellschaftliche Norm!

Doch wie fängt man an mit dem Barfuß laufen? Hier meine besten Tipps für einen guten Start:

  • Langsam steigern! Fang auf keinen Fall an, von 0 auf 100 nur noch barfuß zu sein. Das würde deine Muskulatur und die Strukturen der Füße völlig überlasten. Fang doch einfach mal an, am Ende deiner Spaziergänge die letzten paar hundert Meter barfuß zu gehen.
  • Angst vor Scherben? Kann mal vorkommen, die Verletzung einer kleinen Scherbe (paar Tage leichte Schmerzen) ist aber nichts gegen jahrelange, tägliche Knieschmerzen zum Beispiel durch eine Fehlstellung. Am besten ist man vorbereitet und hat eine Pinzette, ein Pflaster und Desinfektionsspray in der Tasche.
  • Angst vor Blicken anderer? Tja, das wird passieren, Leute glotzen gerne auf Ungewöhnliches. Arbeiten wir einfach gemeinsam daran, dass barfuß zu sein nicht mehr ungewöhnlich ist! Und auch hier kann man sich langsam steigern; durch die Innenstadt zu schlendern, ist für viele schon die Endstufe der Komfortzone. Am besten fängt man dort an, wo man sich wohl fühlt; alleine im Wald, im eigenen Garten oder in einer fremden Stadt.
  • Fehlstellung? Dann sollte man besonders langsam anfangen, barfuß zu gehen und begleitend auf jeden Fall stärkende Übungen für deine Füße machen, um die Fehlstellung auszugleichen! Sonst führt die Fehlstellung bei übermäßigem Barfußlaufen zu einer falschen Belastung und das kann zu Verletzungen führen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unsere Füße eine winzige Fläche sind, die jeden Tag einen in Relation riesigen Körper tragen. Logisch eigentlich, dass jede Veränderung der Statik dieser kleinen Fläche zu Veränderungen in den Gelenken und Bewegungen oberhalb führt, oder? Was ich schon von vielen Leuten gehört habe, ist folgender Satz: "ich hab ja keine Probleme mit meinen Füßen". Ich antworte dann gerne, dass man sich ja auch nicht nur von Süßigkeiten und Chips ernährt, weil man NOCH kein Problem mit Übergewicht hat. In den meisten anderen Bereichen der Gesundheit haben wir verstanden, dass man präventiv auf sich achten muss, nicht erst, wenn schon was weh tut. Warum denken so viele, dass das bei Füßen anders sein sollte? Wichtig ist zu erkennen, dass die Probleme aufgrund schwacher Füße sich nicht immer eindeutig äußern; auch die wenigsten Orthopäd:innen führen Ischiasprobleme oder Rückenschmerzen in erster Linie auf die Füße zurück. Deshalb lohnt es sich, unsere Basis mitzubedenken, wenn man nicht länger mit Schmerzen leben möchte. Barfußschuhe sind kein Allheilmittel, aber sie werden dir sicher nicht schaden und im besten Fall verschwinden einschränkende Probleme dadurch.

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